Dienstag, 10. Mai 2016
3 Städte in 5 Tagen – Sankt Petersburg
Hejhej!

Bevor es am Mittwoch also weiter aufs Boot nach Sankt Petersburg ging, bekamen wir von Kaia im Terminal alles Wichtige ausgehändigt: unsere Pässe, die Boarding Card für die Fähre, eine Visa-Free Travel Information Broschüre und die Arrival Card zur Einreise sowie die Departure Card zur Ausreise aus Russland (mit der eindringlichen Warnung, nichts davon zu verlieren – besonders an die Departure Card haben wir uns alle die nächsten zwei Tage ziemlich entschlossen geklammert).
Nachdem wir in der gleichen Vierer-Mädels-Konstellation von der ersten Fahrt unsere Kabine in der Princess Anastasia bezogen hatten, machten wir uns auf, das Schiff zu erkunden.
Positiv: Die schönen Restaurants, Bars und der DutyFree-Shop, die alle (für €-Inhaber) supergünstig sind und sehr leckeres (russisches) Essen und guten Vodka verkaufen.
Negativ: Die Kommunikation (mein Russisch ist leider etwas eingerostet), ewige Wartezeiten beim Bezahlen (unbedingt vorher sagen, wenn man getrennte Rechnungen möchte, ansonsten löst das eine Fast-Apokalypse aus) und dass der Pool, die Sauna und das WLAN (!!!!) nur gegen horrende Gebühren zu haben waren.



Alles in allem haben wir lecker gegessen, gute Cocktails getrunken, lange auf Rechnungen gewartet, festgestellt, dass wir kein Russisch sprechen und ein bisschen geschlafen, bevor es am nächsten Morgen hieß – hallo Sankt Petersburg.
Genaugenommen hieß es erst einmal „Hallo russische Grenzkontrolle“ – konkret heißt das langes Warten beim Aussteigen aus der Fähre und noch längeres Warten an der Passkontrolle.
Nach ewigem Schlange stehen kam ich schließlich dran, wurde von zwei russischen Passkontrolleurinnen mit einem Gesichtsausdruck, der einem Grizzlybären, den man mit einer kalten Dusche aus dem Winterschlaf weckt, Konkurrenz machen würde, eingehend beäugt und bekam schließlich ein Einreisedokument auf Kyrillisch und einen Stempel von einem Kriegsschiff in meinen Pass, bevor mir erlaubt wurde, „Mother Russia“ zu betreten.
Anschließend warteten wir im Terminal, der von innen wie außen aussah wie ein 2.-Weltkriegs-Überbleibsel, noch eine gute Stunde auf den Rest unserer Gruppe (da man keine Fotos machen durfte, habe ich ein bisschen geschlafen).

Als wir schließlich fast vollzählig waren (ein Student aus Dubai mit einem syrischen Pass war an der Passkontrolle ein nicht so gern gesehener Gast und kam so etwas später nach), lernten wir unseren lokalen Guide Victoria kennen, die mit uns eine Sight-Seeing-Tour (mit einem Bus, da die Stadt etwas andere Ausmaße hat als Tallinn) machte.
Zunächst ging es am Ufer der Newa an der beeindruckenden Promenade entlang bis zum Birzhevaya-Platz, an dem man neben zahlreichen übergroßen russischen Flaggen auch einen tollen Ausblick auf den Winterpalast, die Eremitage und die Peter-und-Paul-Festung genießen kann.

Glücksbringer


"Pferdezähmer" sind ein gerngesehenes Brücken- und Statuenmotiv




Birzhevaya-Platz...



...mit Ausblick auf die Peter-und-Pauls-Festung...

...und den Winterpalast.


Auf dem Weg erzählte uns Victoria einiges zur Geschichte der Stadt (die zwischenzeitlich Petrograd und Leningrad hieß) sowie ihres ursprünglichen und heutigen Namensgebers Peter I. (Peter der Große).

Weiter ging es zur Peter-und-Paul-Festung, die ihrem eigentlichen Zweck als Verteidigungsbollwerk der Stadt nie nachkam, sondern stattdessen lange als (politisches) Gefängnis genutzt wurde. Innerhalb der auf der „Haseninsel“ gelegenen Festung kann man die Peter-und-Paul-Kathedrale mit ihren zwei vergoldeten Türmen bestaunen (für ein Eintrittsgeld, das sich wirklich lohnt, auch von innen – die Kathedrale beherbergt unter anderem die Sarkophage zahlreicher Zaren) sowie mittags täglich ein Spektakel miterleben, das man in ganz Sankt Petersburg hört: um Punkt zwölf Uhr wird zur „Einläutung des Nachmittages“ eine Kanone abgefeuert.

Peter-und-Paul-Kathedrale












Umstrittene Statue Peters I. (aka die Vorlage zu Gru aus Ich : Einfach Unverbesserlich)


Die Namensgeber der Insel


Anschließend fuhren wir vorbei am Denkmal des Ehernen Reiters und der St.Isaac’s Cathedral den Nevsky Prospekt, die Prachtstraße Sankt Petersburgs, entlang bis zum Ostrokogovs-Platz mit seiner beeindruckenden Statue Katherinas der Großen.

St.Isaac's




Dort machten wir eine kurze Mittagspause, die wir mit dem festen Vorhaben, russisches Essen zu probieren, schließlich zum Burger essen nutzten (zu unserer Verteidigung: wir haben wirklich versucht, in der kurzen Zeit ein russisches Restaurant zu finden, wo man uns zumindest eine Speisekarte auf Nicht-Kyrillisch oder gar Englisch anbieten könnte – ohne Erfolg).
Gestärkt ging es weiter zum letzten Stopp, einem der bekanntesten Wahrzeichen der Stadt, der Church of the Saviour on Spilled Blood (Auferstehungskirche), die als Denkmal an der Stelle errichtet wurde, an der Zar Alexander II. 1881 einem Attentat zum Opfer gefallen war.







Danach machten wir uns auf den Weg ins Hostel, wo ein Teil der Gruppe sich kurze Zeit später zu einer traditionellen russischen Folkshow im Nikolaevsky Palace aufmachte. Da ich mich dazu nicht angemeldet hatte, nutzte ich die Zeit, mit Alice und Melanie zu Fuß die Stadt zu erkunden, einige schöne Souvenirs zu kaufen und in einem indischen Restaurant sehr lecker essen zu gehen (dort sind wir gelandet, da es das Einzige war, was wir von außen anhand der Schilder als Restaurant ausmachen konnten). Obwohl es kein traditionelles russisches Restaurant war, war es das Erlebnis wert, da von der Dekoration über die separate Teekarte bis zur supernetten Kellnerin (deren Englischkenntnisse sich leider schnell verflüchtigten, sodass schließlich ein hilfsbereiter junger Russe vom Nebentisch für uns übersetzte) alles sehr sehenswert war.

Ein paar Eindrücke aus der Stadt:
















Das leckere indische Essen


Anschließend machten wir uns ziemlich erschöpft wieder auf den Rückweg ins Hostel, wo wir gleich zum nächsten Programmpunkt übergingen: einer Limousinen-Tour durchs nächtliche Sankt Petersburg mit mehreren Fotostopps und russischem Sekt inklusive – das klingt jetzt wahrscheinlich ziemlich dekadent und ein bisschen albern, war aber wirklich eine supertolle Fahrt mit vielen lustigen Momenten und atemberaubenden Blicken auf die Stadt.









Nachdem der letzte Stopp der Tour (leider) nicht das Hostel, sondern ein russischer Nachtclub war, war ich sehr froh, eine kleine Gruppe zu finden, mit der ich gemeinsam zu Fuß direkt nach Hause laufen konnte, wo wir sehr müde, aber mit vielen neuen Eindrücken ins Bett fielen.

Am nächsten Morgen ging es direkt los mit der Suche nach Frühstück, wobei ich glücklicherweise schnell in der Nähe des Hostels fündig wurde: in einem Mensa-artigen Imbiss konnte ich mir durch Deuten, Kopfschütteln und Nicken ein Frühstück aus Spiegelei, Porridge, überbackenem russischen Toast und Cappuccino für umgerechnet 2,70€ zusammenstellen lassen.
Gestärkt ging es so zum ersten Programmpunkt des zweiten Tages über: leider im strömenden Regen liefen wir mit Kaia die ca. 40-minütige Strecke am Nevsky-Prospekt entlang bis zum Winterpalast, wo wir eine geführte Tour der Highlights des Museums machen durften.
Der Eintritt in die Eremitage, die sich über den Winterpalast und vier weitere Gebäude erstreckt, ist übrigens für Studenten kostenlos und absolut empfehlenswert – das riesige Kunstmuseum (fast 3 Millionen Ausstellungsobjekte, nach Hochrechnungen bräuchte man ca. 11 Jahre, um jedes angesehen zu haben) ist zu Recht eines der wichtigsten Kunstmuseen der Welt und beherbergt unter anderem Gemälde von Picasso, Rembrandt und Leonardo Da Vinci.
Für die Tour bekamen wir lustige kleine Spionage-Hörgeräte ins Ohr, durch die wir die Anweisungen und Erklärungen unserer netten, aber bestimmten russischen Museumsführerin verfolgen konnten, die uns so zielsicher durch die Menschenmengen zu den sehenswertesten Exponaten steuerte.
Hier ein paar Eindrücke aus dem Museum:





Innenräume des Winterpalasts















Ein Tisch aus typischem Mosaik

Katherina die Große





Die berühmte Pfauen-Uhr

"The Benois Madonna" von Leonardo da Vinci

"The Little Madonna" von Leonardo da Vinci



Das Einschussloch oben im Spiegel erinnert an die Beschädigungen während des Zweiten Weltkrieges










Rembrandt



Das laut Victoria offiziell wertvollste Ausstellungsstück, Rembrandts "The Return of the Prodigal Son"

Die inoffiziell größte Vase der Welt




Nach dem Museumsbesuch hatten wir noch etwas freie Zeit, die sich allerdings etwas hektisch gestaltete, da alle nur die Ansage „Um 15:50 Uhr zurück am Hostel, der Bus wartet NICHT.“ im Kopf hatten. Da trotz der tollen Eindrücke niemand dauerhaft in Russland zurückgelassen werden wollte (vor allem nicht ohne Pass, den wir abgegeben hatten), waren auch alle brav pünktlich da und wir traten die Rückreise zum Terminal an, während der wir noch einmal einige schöne Panorama-Blicke auf die Stadt genießen konnten.

Noch einmal ein paar Facts, die ich während meiner kurzen Zeit in Russland sammeln konnte:
- Die allermeisten Russen, besonders sämtliches Servicepersonal, haben generell einen eher unfreundlichen Gesichtsausdruck – solltet ihr mal jemanden lächeln oder gar lachen sehen, könnte gleich die Apokalypse eintreten.
- Englisch (oder allgemein andere Sprachen als Russisch) sind in Russland so verbreitet wie bei uns Klingonisch. Auch in Berufen mit „Touristenkontakt“ sprach von Kellnern über Souvenir- und Ticketverkäufer bis zum Hostelpersonal eigentlich niemand auch nur ein bisschen Englisch. Die Kommunikation verlief so wirklich mit Händen und Füßen, was immer gut funktioniert hat, in eine kompliziertere Situation oder eine Wegbeschreibung ohne Stadtplan hätte ich aber nicht geraten wollen. Meine nächste Fremdsprache wird wohl Russisch :).
- Erschwerend hinzu kommt noch, dass man absolut nichts lesen kann – wenn man die Straße entlang geht, weiß man manchmal wirklich nicht, ob man gerade vor einem Restaurant, einem Friseursalon oder einer Metzgerei steht. Das Problem erstreckt sich natürlich auch auf Straßenkarten und –schilder, Speisekarten und Beschriftungen in Supermärkten.
- In Sankt Petersburg sieht auf dem Stadtplan alles ziemlich nahe beieinander aus, IST ES ABER NICHT. Häuserblöcke sind riesig groß und auch das Überqueren größerer Straßen kann mangels Ampeln manchmal kleine Umwege nötig machen.
- Apropos Straßen: Gegen russische Autofahrer ist der mexikanische Straßenverkehr ein ruhiges, gesittetes und äußerst regelgebundenes Unterfangen – so rücksichtslose/lebensmüde Autofahrer habe ich noch in keinem Land gesehen.
- Das Wetter ist ziemlich unberechenbar, man kann bei strahlendem Sonnenschein in einen Laden gehen und zehn Minuten später im strömenden Regen wieder hinausgehen.

Nachdem wir problemlos durch die Ausreisekontrolle gelassen wurden (gleiches, aber nicht so langwieriges Prozedere wie bei der Einreise, ich habe sogar noch einen Stempel bekommen :)), ging es zur Weiterreise auf die Princess Maria der Sankt Petersburg Line.



Da diese das Schwesterschiff der Princess Anastasia ist, gab es wieder kein WLAN, aber dafür sehr günstiges und leckeres Essen. Zusätzlich gab es noch eine freundliche Taschenkontrolle, wo ich von einem russischen Sicherheitsmann in Gestalt Wladimir Klitschkos bestimmt dazu aufgefordert wurde, meine mitgebrachte Flasche Vodka abzugeben – ich habe ihm sicherheitshalber bereitwillig zugestimmt (und die Flasche auch bei der Ankunft wieder bekommen, auf dem Boot wird nur sämtlicher „externer“ Alkohol konfisziert).
Nach dem Beziehen der Kabine ging ich mit Melanie, Anikó, Raúl und Yerko sehr leckeres Sushi essen (da man in allen Restaurants dort aus den Karten sämtlicher anderer Restaurants gleichzeitig bestellen konnte, war es am Ende eine Mischung aus Sushi und Pizza), bevor wir uns noch ein bisschen in den „Schiffsnachtclub“ Columbus setzten, wo wir uns russische Cocktails bestellten und Karten spielten (das klingt jetzt irgendwie verruchter als gewollt :D).
Gegen Mitternacht verabschiedete ich mich schließlich ins Bett, um am nächsten Morgen gut ausgeschlafen in einer neuen Stadt aufzuwachen.

Hejdå!